Wo bleibt die Digitalisierung im Gesundheitswesen? Die abenteuerlichen Irrwege durch die Gesundheit in Deutschland und international

Ein Kommentar über die Digitalisierung des Gesundheitswesens in Deutschland und weltweit. Von Hermann Kamp, CEO ClinicAll International.

In vielen Bereichen unseres Lebens lassen wir uns von modernen Applikationen unterstützen. Ehrlich gesagt finde ich, es hilft mir, ist angenehm, spart Zeit, verbessert die Kommunikation, vereinfacht Abläufe, informiert – kurz gesagt, es verbessert meinen Alltag, ohne dass ich mich abgeschottet, ausgegrenzt oder isoliert fühle. Mit digitalen Apps kann ich meinen Tag besser planen, mich aufs Wesentliche konzentrieren, die Zeit effektiver nutzen, und zwar nicht nur für mich, sondern auch für alle anderen Beteiligten.

Manchmal stelle ich mir die Frage, warum diese neuen, effiziente Methoden im Gesundheitswesen nicht gesehen oder ignoriert werden.

Ich halte mich nicht für pedantisch, jedoch mag ich es, wenn ich meine Dinge gut planen kann, wenn ich weiß gerne woran ich bin, was vor mir liegt, welche Aufgaben damit verbunden sind, worauf ich achten muss, was meine Pläne verzögern könnte und welche Auswirkungen dies mit sich bringen würde. 

Lassen Sie mich ein persönliches Beispiel aus meinem Leben beschreiben: 

Ich muss eine Reise nach New York in unser dortiges Büro antreten, meine Präsenz ist notwendig. Meinen Flug habe ich bereits online über die Website der Fluggesellschaft gebucht. Automatisch wurden meine Flugdaten in die App der Gesellschaft übernommen, somit habe ich die Möglichkeit, entspannt meinen Sitzplatz zu buchen, meine digitale Bordkarte herunterzuladen und weitere Informationen über die bevorstehende Reise zu erhalten. 

All das geht automatisch und digital, die Fluggesellschaft hat meine Daten erfasst, und den Check-In bestätigt. Bis hierher verschwende ich keine Zeit des Personals. 

Am nächsten Morgen checke ich über mein Handy die Verkehrslage, ich würde auf keinen Fall in einen Stau geraten wollen und vielleicht meinen Flug verpassen. Am Flughafen wird die Bordkarte auf meinem Handy gescannt und ich passiere die Sicherheitskontrolle. Laut Information startet mein Flug pünktlich und ich kann eine digitale Nachricht nach New York senden, dass alles nach Plan läuft. 

In New York gelandet, sende ich eine weitere Nachricht und mache mich auf den Weg ins Büro. Ebenso kann ich meine Familie über die Landung informieren und bleibe in ständigem Kontakt, ganz zu schweigen von Flugtrackern und anderen nützlichen Apps für Dritte. 

Sicherlich könnte ich jetzt noch seitenweise beschreiben, wie digitale Applikationen meine gesamte Reise effizienter, effektiver und für mich angenehmer gestalten. Ich bin mir sicher, jeder von Ihnen weiß, wovon ich rede. Wir alle kennen diese Erfahrung und nutzen Apps im Hintergrund, mittlerweile oft, ohne es zu bemerken, es gehört zur täglichen Routine. 

Wie war es früher ohne digitale Unterstützung? Lassen Sie uns die gleiche Reise im Jahr 1992 machen. Damals war es ein immenser Aufwand gegenüber heute. Und mit viel Glück nach Immigration und dichtem Verkehr konnte ich frühstens rund drei Stunden nach der Landung meine Familie über meine Anreise informieren – zu absurden Telefontarifen aus dem Festnetz im Hotel, ganz zu schweigen von wartenden Kollegen im Büro. Ich denke, uns allen ist bewusst, wie Digitalisierung unser Leben positiv beeinflusst: Sie ändert nichts am meinem Lebensstil, jedoch hilft sie ungemein.

Doch sind diese neuen, verbesserten Prozesse ähnlich, wenn ich krank werden sollte? 

Ich würde mir wünschen, dass viele Abläufe in einem Krankheitsfall genauso einfach wären. Je nach Schwere einer Erkrankung und gleichzeitiger Angst vor Folgen, wäre es ein Segen für mich, alle nötigen, aber lästigen Angelegenheiten so schnell und einfach wie möglich abarbeiten zu können. Ich denke, so geht es den meisten. 

Doch wenn ich an das Gesundheitswesen denke: Wo sind dann auf einmal all die digitalen Unterstützungen, die ich aus meinem normalen Leben kenne? Warum kann ich viele Dinge nicht über Applikationen erledigen, um vielleicht auch meinen Gesundheitszustand nicht weiter zu strapazieren? 

Sehr oft wird mir in Gesprächen mit Verantwortlichen aus dem Gesundheitsbereich gesagt, es wäre kein Investitionskapital vorhanden, darüber hinaus wird gerne als zweiter Punkt der Datenschutz genannt. 

Mir erschließt sich diese Logik nicht. Wie viel effizienter und effektiver könnten Patienten durch digitale Unterstützung behandelt werden, wie viel Zeit könnte gespart und somit besser genutzt werden, von Ärzten, Pflegepersonal, Versicherungen, Apotheken und vielen anderen Beteiligten im Gesundheitswesen. 

Auch außerhalb der digitalen Patientenakte gibt es viele intelligente, digitale Applikationen, welche uns schlicht das Leben vereinfachen können – bei unserem höchsten Gut, unserer Gesundheit.

Ich gehe sogar noch einen Schritt weiter: Meine Gesundheitsdaten sind vermutlich nicht unsicherer als Daten in meinem biometrischen Ausweis, Daten über meine Reisen in viele Länder dieser Welt und meine immer wieder abgegeben Fingerabdrücke und Fotos. 

Sollte ich im Ausland erkranken würde ich es begrüßen, den dortigen Verantwortlichen genau die Daten anbieten zu können, durch die eine mögliche Fehlbehandlung auf ein Minimum reduziert würde. Die möglichst perfekte Patientenversorgung ist für mich das Allerwichtigste. 

Es fällt mir schwer, das Handeln der Verantwortlichen im Gesundheitswesen zu verstehen und zu akzeptieren. Wovor hat man Angst, dem Aufdecken menschlicher Fehler? Können Investitionen ins Gesundheitswesen nicht sinnvoller getätigt werden? Ich denke, sobald nachgerechnet würde, könnte man man feststellen, dass ohne Digitalisierung viel Geld unnütz verbrannt wird. Das Gesundheitswesen wird nie abgeschafft werden können, es ist fester Bestandteil eines jeden Staates. Also warum nicht effizienter gestalten? Das Investitionsvolumen muss nicht verändert werden, kann aber effizienter eingesetzt werden, auch zugunsten des Personals, ohne dieses dabei zu reduzieren.

Vor allem unterstützen digitale Applikation das Pflegepersonal auf der ganzen Welt. SARS-CoV-2 hat uns ganz deutlich die dramatische und immense Belastung der Ärzte und des Pflegepersonals gezeigt, ebenso wie die Lücken im System. Was muss passieren, bevor wir anfangen smarter zu denken? Digitalisierung ist ein wichtiges Band, uns besser miteinander zu verbinden und uns näher zu sein.

© PatientCareNews.com, Autor: Hermann Kamp, CEO ClinicAll International

Foto von Anna Shvets von Pexels