Know your customer: Welche Vorteile dies im Gesundheitswesen bringt

Die Legitimationsprüfung „Kenne deinen Kunden“ ist schon lange bekannt, z. B. bei der Eröffnung von Bankkonten, bei der Erstellung von Ausweisen und bei amtlichen Registrierungen, also bei Vorgängen, bei denen zur Sicherheit aller Beteiligten Identitäten geprüft werden muss.

Über die Jahrzehnte und mit Einführung des Internets hat sich „Kenne deinen Kunden“ bzw. „Know your customer“ – kurz KYC – deutlich verändert. Natürlich muss es neue Sicherheitsstandards geben, denn durch das Internet wurde die Tür für Online-Geschäfte und -Zahlungen auf einem neuen, globalen Marktplatz geöffnet. Zahlungen, Bestellungen und Lieferungen müssen abgesichert sein, der Kunde möchte seine Ware erhalten, der Lieferant möchte sein Geld.

Ist der KYC heute die alleinige Authentifizierung für sicheren globalen Handel?

Manchmal denke ich darüber nach, wie Algorithmen im Leben funktionieren. Heute muss man oft zumindest einen kleinen Teil seiner persönlichen Daten preisgeben, um eine Information online erhalten zu können. Firmen sammeln diese Informationen schon nach einer einzigen Bestellung oder nach einem Informationsbesuch, um den Kunden nicht wieder zu verlieren.

Es ist faszinierend und zugleich erschreckend, mit welcher Treffsicherheit heutzutage digital alles auf uns personalisiert wird! Egal was wir unternehmen, nur kurze Zeit später erhalten wir Werbung, Vorschläge oder neue Ideen.

Hat der KYC heute eine ganz andere Dimension? Geht es gar nicht mehr alleine um die Identifizierung der Person?

Der KYC wird heute instrumentalisiert. Alle Daten, welche wir angeben, werden nicht nur zur Identifizierung genutzt, sondern vielmehr um unsere Vorlieben, Interessen, Verhaltensweisen und Beweggründe zu studieren. KYC bedeutet heute, seinen Kunden kennenzulernen, seine Interessen zu analysieren und Algorithmen entsprechend anzupassen, wahrscheinlich nicht nur um Umsatz zu generieren. Wie war doch der alte Satz? „Der wichtigste Gebrauchsgegenstand ist die Information!“

Haben wir dabei immer die volle Kontrolle über unsere persönlichen Daten?

Ganz ehrlich, ich würde es begrüßen, hätte die Gesundheitswirtschaft mehr Informationen über meinen gesundheitlichen Zustand, denn so könnte sie im Ernstfall gezielter agieren und reagieren.

Natürlich sind persönliche Befindlichkeiten hochsensible Informationen. Und nein, natürlich darf sie nicht jeder so einfach bekommen wie meine Vorlieben beim Online-Shopping. Jedoch denke ich, dass zwischen dem Istzustand im Gesundheitswesen heute und den bereits umsetzbaren Möglichkeiten eine große Lücke klafft. Nebenbei: wie viele unserer persönlichen Daten „müssen“ wir schon heute offiziellen Stellen anvertrauen, z. B. um uneingeschränkt reisen zu können, oder an Institutionen geben, um Konten zu eröffnen oder Gelder zu bewegen. Haben wir eine 100-Prozent-Garantie, dass unsere Daten nicht in die falschen Hände geraten?

Ich denke nein, aber wir vertrauen fest darauf, dass zumindest staatliche oder staatlich kontrollierte Stellen diese nicht missbrauchen.

Wieso geht das nicht im Gesundheitswesen?

Natürlich sind Ausgaben im Gesundheitswesen für jeden Staat eine notwendige Last. Ein Staat muss eine Infrastruktur für Gesundheit haben, sie ist Teil des Systems. Das Gesundheitswesen verschlingt jedes Jahr enorme Summen des Staatshaushaltes, Tendenz fallend? Fehleinschätzung! Die Menschen werden älter als noch vor ein paar Jahrzehnten, durch die Globalisierung verbreiten sich Krankheiten schneller, der Pflegebedarf steigt kontinuierlich und keine Generation darf vergessen werden. Auch Prävention spielt eine enorme Rolle und ist kostenintensiv.

Ist nicht gerade hier ein KYC oder besser ein KYP (Know your patient), so wie wir ihn heute kennen, eine sinnvolle Möglichkeit, um das Gesundheitswesen zu verbessern?

Zugeben, aus der Sicht eines Politikers ist die Finanzierung des Gesundheitswesens eine Belastung. Geld aus Steuereinnahmen wird investiert, ohne Einnahmen zu generieren. Hohe Ausgaben und Investitionen sind nötig, und das oft ohne einen sofort erkennbaren Nutzwert.

Verständlich, dass die Politik sich windet, zusätzliche Mittel zu investieren, um die längst überfällige Digitalisierung voranzutreiben, insbesondere wenn man davon ausgeht, dass gewünschte Erfolge sich unter Umständen nicht so schnell einstellen wie z. B. oft positive Ergebnisse durch Investitionen bei Unternehmen.

Kenne deinen Patienten“ (KYP) hat langfristig ein enormes Einsparpotenzial oder kann zumindest die rasante Zunahme an Ausgaben leichter unter Kontrolle bringen und zugleich die Gesundheit für jeden einzelnen nachhaltig verbessern.

Bei genauer Betrachtung ist es aus meiner Sicht offensichtlich, dass die Digitalisierung im Gesundheitswesen – und der KYP als ein Teil davon – dauerhaft die einzig gangbare Möglichkeit bietet, sowohl eine Kostenexplosion zu vermeiden, als auch eine bessere und effizientere Behandlung und Genesung der Patienten zu erzielen.

Die derzeitige Coronavirus-Pandemie ist ein prägnantes Beispiel für die Notwendigkeit der Digitalisierung.

Gravierende Einschnitte in unsere persönlichen Rechte und Freiheiten, z. B. durch Reisebeschränkungen, geschlossene Geschäfte, das Tragen von Masken, einen gebührenden Sicherheitsabstand und viele andere Maßnahmen, zeigen gerade weltweit die Schwachstellen im Gesundheitssystem. Plötzlich sind die Rufe nach digitalen Lösungen wie Telehealth groß, kontaktlose Behandlung, digitale Sprechstunden und vieles mehr.

Hätte man die Pandemie besser unter Kontrolle bringen und eindämmen können, hätte man Menschenleben retten können?

Vorausgesetzt es gäbe den digitalen Patientenausweis und alle beteiligten Protagonisten – Versicherungen, Ärzte, Kliniken und der Staat – hätten Informationen über Vorerkrankungen, Allergien, das aktuelle Gesundheitsbild oder bestehende Medikationen und damit die Möglichkeit, gefährdete Personen zügig digital zu informieren, dann hätte dies sicherlich dazu beigetragen, eine solche Pandemie besser kontrollieren zu können.

Große, zukunftsorientierte Konzerne wie Microsoft, Google, Apple oder Facebook überlassen nichts dem Zufall, um so effektiv wie möglich zu agieren. Warum sollte das im Gesundheitswesen nicht auch möglich sein.

Oft, wenn ich mich mit anderen austausche, geht es in dem Zusammenhang um das Thema Datenschutz, gerade in der jetzigen Zeit. Und immer wieder vertrete ich die Meinung, dass ich mich oft zu überwacht fühle und äußere mein Erstaunen über den Umgang mit meinen Daten seitens großer Konzerne. Genauso oft bekomme ich die gleiche Antwort: „Mir ist es egal, wer mich wie überwacht, ich lasse mir ja nichts zu Schulden kommen, was soll da passieren“.

Also gut, teilweise bin ich selbst schuld, schließlich hinterlasse ich oft genug meinen „Fußabdruck“, denn auf die Nutzung digitaler Unterstützung möchte ich nicht verzichten, sie macht mein Leben einfach leichter und komfortabler.

Bleibt nur noch eine Bastion zu erobern, um den Kreislauf unseres digitalen Lebens zu schließen, und das ist eine enorm wichtige, unsere Gesundheit. Wenn meine Gesundheit und mein Leben durch die Nutzung digitaler Informationen besser geschützt werden können, dann gerne auch mit meinen Daten. Es ist an der Zeit!

© PatientCareNews.com, Autor: Hermann Kamp, CEO ClinicAll International

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